Kunstzeitschriften und die Institutionen des Kunstbetriebs
Deutsche/deutschsprachige Kunstgeschichte seit den 1960er Jahren
Aus Anlass des 40-jährigen Bestehens der kritischen berichte und der Digitalisierung aller Ausgaben in Kooperation mit der Universitätsbibliothek Heidelberg (http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/ojs/index.php/kb) werden 2014 die Hefte 2 und 4 erstens dem Kunstbetrieb, seinen Institutionen und AkteurInnen, und zweitens der Entwicklung der deutschsprachigen
Kunstgeschichte seit Ende der 1960er Jahre gewidmet sein. Gerade Zeitschriften wie die kritischen berichte hatten einen wichtigen Anteil an den Veränderungen in der kunsthistorischen Forschungslandschaft in den letzten Dekaden. Sie spiegeln nicht nur die unterschiedlichen „turns“ und Paradigmenwechsel innerhalb des Fachs, Zeitschriften spannen Verbindungsnetze zwischen AkteurInnen und Institutionen. Sie öffnen Institutionen nach außen und können widersprüchliche Tendenzen und Konflikte in sich aufnehmen, zugleich sind sie konkrete Plattformen, durch die sich Institutionen nach außen hin repräsentieren.
Insbesondere seit dem 19. Jahrhundert haben sich Formen und Orte, wie und wo über Kunstgeschichte geschrieben, gesprochen, und geforscht wird, vervielfältigt und ausdifferenziert. In den letzten Jahrzehnten überlagerten sich die Spezialisierungen verstärkt und führten zu einer aus wissenschaftlichen Kreisen kritisierten Auflösung von
kunsthistorischer Expertise (R. Krauss: Tod der Fachkenntnisse). Die Konsequenzen dieser Verschmelzungen im Feld der Kunst und Kunstgeschichte sind weitgehend unerforscht und werden unterschiedlich eingeschätzt. Während die einen eine Rückbesinnung auf traditionelle
Fachkenntnisse einfordern, postulieren andere in interdisziplinärer Euphorie für die Auflösung der Grenzen nicht nur von Kunst selbst, sondern auch bezüglich ihrer Präsentation und den anerkannten Rollen. Diesem komplexen Zusammenspiel widmen sich 2014 die zwei Hefte: Dabei richtet sich der Fokus in Heft 2 auf Zeitschriften für Kunst(geschichte) im erweiterten institutionellen Umfeld des Kunstbetriebes und Heft 4 auf die Geschichte der kritischen berichte im Kontext von Reformbestrebungen in der deutsch(sprachigen)
Kunstgeschichte seit Ende der 1960er Jahre. Neben dem Schwerpunkt auf Kunst(geschichts)zeitschriften sind ebenso die Wechselwirkungen zwischen Zeitschriften und andere Institutionen im Kunstbetrieb wie Museen, Galerien, Universitäten und Akademien auf ihre Funktionen und ihren Einfluss zu befragen.
Folgende – und weitere Themenbereiche – sollen in beiden Heften zur Sprache kommen:
1 Kunstgeschichte: Im Oktober 1968, in Reaktion auf gesellschafts- und wissenschaftspolitische Kontroversen, konstituierte sich der Ulmer Verein. Vorrangig als Vertretung des wissenschaftlichen Mittelbaus setzte er sich in kritischer Reflektion mit der Kunstgeschichte als Gegenstand und Wissenschaftsbetrieb für Hochschulreformen und die methodische, thematische und geografische Erweiterung des Faches ein. Die 1973 gegründeten kritischen berichte als Mitteilungsorgan des Ulmer Vereins wurden zum Sprachrohr einer kritischen Kunstgeschichte in Deutschland. Über die Würdigung und Positionsbestimmung der Zeitschrift hinausgehend sollen in Beiträgen die wissenschaftlichen
Reformbestrebungen sowie die methodologische und thematische Entwicklung der Kunstgeschichte im deutschsprachigen Raum (auch in Abgren¬zung zum angelsächsischen Sprachraum) diskutiert werden.
2 Vernetzung: Sinn und Zweck von Zeitschriften war und ist die Sichtbarmachung von Interessengruppen, der Aufbau und Austausch von Verbänden und Netzwerken. Hier stellt sich die Frage, welche Eigenschaften das Medium Zeitschrift für diese Aufgaben mitbringt und wie sich die Vernetzung in der Zeitschrift materialisiert? Wie kann man an der Geschichte einzelner Kunstzeitschriften seit ihren Anfängen Mitte des 19. Jahrhundert, die unterschiedliche Vernet¬zung der Akteure im Kunstbetrieb und in der Wissenschaft dingfest machen? Wie setzt sich das Medium der Kunstzeitschrift vom Medium Buch ab und welche Vorteile bringen die Periodizität der Zeitschrift und ihre Verbreitung?
3 Professionalisierung: Zeitschriften dienen einerseits der Professionalisierung in der Wissenschaft aber auch im Kritikerwesen. Gerade die Kunstkritik fand hauptsächlich in den Kunstzeitschriften und Rundschauzeitschriften ab Mitte des 19. Jahrhundert statt. Mit der Entwicklung wissenschaftlich orientierter Zeitschriften spaltete sich dann jedoch die Kunstwissenschaft von der Kunstgeschichte ab. Hier ist zu fragen, wie dieser Prozess in den Zeitschriften von statten ging und mit welchen Mitteln einzelne Zeitschriften diesen Wandel
gestalteten und welche hybriden Formen existierten. Die Ausdifferenzierung des Kunstbetriebes hat zwangsläufig zur Notwendigkeit Positionierungen geführt. Die Entwicklung und Legitimation der jeweiligen Position ist dabei meist mit einer
Etablierung verbunden, die ihrerseits erneut Kritik jüngerer und weniger anerkannten Stimmen hervorruft. Der Nachvollzug dieser Anerkennung bzw. auch das Scheitern zeigt auf, wie sich Positionen bilden, verändern und allenfalls verlieren oder aber durchsetzen.
Welche Zeitschriften werden diskursbestimmend, welche Ausstellungsorte zählen zur Avant-Garde und welche kuratorische Position ist der Zutritt zur internationalen Karriere?
4 Popularisierung/Vermittlung/Bildung: Durch die Kombination von Text und Bild, durch ihr Format und ihre Periodizität eignen sich Zeitschriften zur populären und kommerziellen Verbreitung und Konsumierung von Themen unterschiedlichster Art. Gerade im
Kunstbereich machte eine Bebilderung das Medium Zeitschrift immer attraktiver und förderte so die Popularisierung von künstlerischen und kunsthistorischen Inhalten. Die Kunstzeitschrift war auch dadurch nicht nur ein Ort der Distinktion bürgerlicher Schichten, sondern ebenso ein Mittel der massenhaften Verbreitung von Kunst. Hier wäre nach den visuellen Strategien zu fragen, wie sie sich in der Wahl der Abbildungen, dem Layout und dem Verhältnis von Text und Bild materialisieren. Wie verhalten sich die Entwicklung der
unterschiedlichen Drucktechniken, das Aufkommen der Fotografie und des Farbdrucks zur inhaltlichen Ausrichtung der Kunstzeitschriften? Wie werden Anfang des 20. Jahrhunderts neue Strategien entwickelt, um Kunst und Kunstgeschichte an ein breites Publikum zu vermitteln? Wie stellt sich die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg dar? Welchen Einfluss haben politische Konstellationen, wie der kalte Krieg oder die Wende 1989 auf die Popularisierung von Kunst durch Kunstzeitschriften?
5 Digitalisierung: Unter dem Einfluss digitaler Medien sind neue Formate von Kunstzeitschriften möglich geworden. Welche Möglichkeiten ergeben sich damit für Wissenschaft, AkteurInnen und Öffentlichkeit? Welche Auswirkungen hat das auf die Printausgaben der Zeitschriften? Entstehen dadurch neue Kommunikationswege, neue Hierarchien und Bedeutungsmuster? Wie hat die Digitalisierung, den Umgang mit
Bildmaterial in Zeitschriften verändert und hat das ebenso die Forschungsmethodik beeinflusst? Wenn ja, wie?
Heft 2/2014 und 4/2014 der kritischen berichte werden von Rachel Mader, Anna Minta und Änne Söll herausgegeben.
Bitte senden Sie ein Exposé mit max. 3000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) und einen kurzen Lebenslauf mit relevanten Publikationen von maximal einer Seite per e-mail an: minta@ikg.unibe.ch oder aenne.soell@web.de.
Deadline: 31. Oktober 2013
Die Abgabe der Texte im Umfang von max. 25.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen und Fußnoten) und maximal drei schwarz-weiß Abbildungen muss für Heft 2/2014 bis 2. Februar 2014, für Heft 4/2014 bis 31. Mai 2014 erfolgen.
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