Appel à communication : « Fuerst und Fuerstin als Kuenstler. Herrschaftliches Kuenstlertum »

Fuerst und Fuerstin als Kuenstler. Herrschaftliches Kuenstlertum zwischen Habitus, Norm und Neigung

Veranstalter: Rudolstädter Arbeitskreis für Residenzkultur in Zusammenarbeit mit der Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel Die Tagung des Rudolstädter Arbeitskreises für Residenzkultur will das Phänomen der künstlerisch tätigen, zeichnenden, bauenden, drechselnden,

stickenden, tanzenden oder musizierenden Fürsten und Fürstinnen diachron in den Blick nehmen und auf die damit verbundenen Theorien,

Kategorien und historischen (Habitus-) Entwürfe eingehen. Die Frage, welches herrscherliche Selbstverständnis sich in der Kunstpraxis

artikuliert, an welchen Normen es ausgerichtet ist und inwiefern sich daraus ein bestimmter, zeitlich differierender herrschaftlicher Habitus

ableiten lässt, steht im Zentrum der Tagung.

 

HERRSCHAFT, KUNSTÜBUNG UND BILDENDE KÜNSTE

Die Sphäre der Künste gehört seit der Antike zu den wichtigsten Feldern herrschaftlicher Praxis, da erst ihre Kenntnis und Förderung den Typus

des klugen, gebildeten Regenten ermöglichte und ihm zu sinnfälliger Anschaulichkeit verhalf (Leon Battista Alberti, „De pictura“ 1435). Die Förderung der Künste stand zunächst in staatspolitischem Dienst. Den Künsten wurde – vor allem in Italien – neben ihren militärischen Diensten (Kriegskunst) eine zivilisierende, friedensstiftende Wirkung auf die Untertanen zugesprochen, weshalb in den Augen der humanistischen Berater italienischer Fürsten z.B. die Rhetorik nur mit Hilfe der Artes ihre beschwichtigende Wirkung auf kriegerische Parteien entfalten oder die bildenden und musischen Künste ihre friedensstiftenden, zivilisatorischen Kräfte ausüben konnten. Die Untertanen wurden, wie es der venezianische Humanist Stefano Guazzo in seinen 1586 erschienenen „Dialoghi piacevoli“ formulierte, durch die Künste in einen Zustand der Ruhe und der Zufriedenheit versetzt. Es war für kluge Könige und Fürsten aller Zeiten geradezu eine Selbstverständlichkeit, entsprechend talentierten Künstlern ein passendes Betätigungsfeld am Hof oder in der Stadt zu verschaffen, damit die den Künsten zugewiesenen Aufgaben angemessen erfüllt werden konnten. Das Dilettieren gehörte spätestens seit Castigliones Cortigiano (1528) zu einem integralen Bestandteil adeligen Lebens. Kunstförderung- und

Kennerschaft wurden zu einer höfischen Tugend erhoben und herrscherliches Mäzenatentum und höfische Kunstsammlungen auch theoretisch legitimiert. Auch bei staatstheoretischen Abhandlungen (Seckendorff 1656) wie ebenfalls der Hausväter- und Zeremonialliteratur (Florinus 1719) findet die Kunstübung ihre theoretische Legitimation als notwendige Entspannung vom Regieren und gehörte damit normativ zu den vorgeschriebenen Pflichten eines Fürsten. Regent und Regentin wahrten zwar Distanz zum professionellen (zünftigen) Handwerk, nicht aber zum eigentlichen künstlerischen Herstellungsprozess, zur explizit zwecklosen Kunstübung. Bestimmte Kunstgattungen erfreuten sich dabei besonderer Beliebtheit, nicht zuletzt aufgrund des im vierten Lebensjahr der Kinder einsetzenden höfischen Unterrichtskanons, dessen Fokus (neben Konfessionslehre, Genealogie und Staatsbildung) geschlechtsunabhängig auf Musik, Sprachen und Tanz lag, während geschlechtsabhängig Sticken, Nähen, Fechten und Reiten trainiert wurden. In allen Disziplinen oder Gattungen erreichten die Fürsten und Fürstinnen bisweilen ein qualitativ hohes Niveau.

Die Beschäftigung mit bestimmten künstlerischen Gattungen sah sich allerdings lange in einer Legitimationsnot. So galt das Verfassen von literarischen Werken (Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Lüneburg) als wenig repräsentativ. Dem entgegen gehörte das Elfenbein Drechseln zum akzeptierten Kanon hochadeliger Kunstübung, die sich sogar architektonisch im Raumtypus der Drechselkammer niederschlug. Bei Musik und ab dem 17. Jahrhundert in Singspiel, Oper und Ballett, in denen im Rahmen höfischer Festlichkeiten der Hochadel als Autor, Intendant, Musiker, Sänger oder Tänzer mitwirken musste oder konnte, handelt es sich scheinbar ebenfalls um ein breit akzeptiertes Feld künstlerischer Übung.

Die Forschung hat das Phänomen des künstlerisch tätigen Herrschers anhand von prominenten Beispielen wie dem tanzenden Sonnenkönig Ludwig XIV. oder dem Flöte spielenden preußischen König Friedrich dem Großen zwar wahrgenommen, doch bislang nicht in ein übergeordnetes Handlungsmuster oder gar eine Geschichte herrscherlicher Kunstpraxis einzufügen versucht. Die Kunstübung von Fürstinnen blieb bislang sogar weitgehend unbeachtet.

Vor diesem Hintergrund erscheint es sowohl für das Verständnis der höfischen kulturellen Praxis als auch für die Bewertung des Verhältnis` zwischen Fürst und Künstler sowie des höfischen Rangs der Künste und ihrer besonderen Funktion für die Inszenierung herrscherlicher Magnifizenz lohnend, anhand von Fallbeispielen vom Beginn bis zum Ende der Frühen Neuzeit und auf einer möglichst breiten, gattungsübergreifenden und interdisziplinären Grundlage nach Möglichkeiten einer Kategorisierung und Systematisierung des beschriebenen Phänomens zu suchen. Wir laden besonders zu Vorträgen ein, die die theoretische Rückbindung der herrscherlichen Kunstpraxis an zeitgenössische Traktatliteratur integrieren, wünschen aber genauso die Präsentation aufschlussreicher

Fallbeispiele. Im Zentrum der Betrachtung sollen Mitglieder reichsunmittelbarer Familien, eigenständige Territorialherren, Fürsten und Fürstinnen stehen. Um die geschichtliche Entwicklung bzw. Ausdifferenzierung des Phänomens zu verfolgen, sind Vortragsvorschläge willkommen, die sich mit Beispielen zwischen 1500 und 1850 befassen. Eine besondere Frage stellt sich nach der emotionalen, sozialen und politischen Funktion und Ausrichtung der Kunstpraxis in doppeltem Sinn a) nach innen (persönlich und höfisch-lokal) und b) nach außen (translokale Adelsnetzwerke). Interessant sind Selbstäußerungen der Fürsten und Fürstinnen zu Praxis und Ergebnis ihres Tuns und zugleich deren Rezeptionen durch Untertanen, Höflinge oder Mitglieder der Adelsgemeinschaft.

Besondere Aufmerksamkeit können folgende Aspekte besitzen: Adelsspezifische Modi der Performanz und Distinktionsstrategien, Einbindung der Kunstpraxis in tägliche Abläufe, der Anteil der Kunstpraxis an der Selbstinszenierung, eskapistische Kompensation (z.B. eines Nachgeborenen-Status), der persönliche und dynastische Memorialaspekt der Selbst-Erzeugnisse, das Ausstellen der eigenen Erzeugnisse, Prestigekonkurrenz in der Kunstübung, Anteile der einzelnen Disziplinen untereinander sowie deren Beziehung zueinander sowie das Verhältnis zwischen Fürst und Künstler.

 

Der Tagung liegt ein breites Verständnis von künstlerischer Tätigkeit und ein ebenfalls breites Tableau von Gattungen, in denen diese Kunstübung sich äußern konnte, zugrunde. Mögliche Gattungen der herrschaftlichen Kunstpraxis sind: Architektur, Musik, Komposition, Singspiel/ Oper/ Ballett, Literatur, Übersetzung, Zeichnung, Malerei, Modell- und Apparatebau, Gewerke (Drechseln, Nähen, Sticken, Schreinern), Exercitien (Reiten, Fechten, Tanzen), Alchemie/Forschung/Sammlung.

Kontakt:

Prof. Dr. Matthias Müller

Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft

Abteilung Kunstgeschichte

Georg Forster-Gebäude

Jakob-Welder-Weg 12

55128 Mainz

Email: mattmuel@uni-mainz.de

 

Prof. Dr. Klaus Pietschmann

Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft

Abteilung Musikwissenschaft

Jakob-Welder-Weg 18

D-55128 Mainz

pietschmann@uni-mainz.de

 

Dr. Annette C. Cremer

Historisches Institut

Justus-Liebig-Universität Gießen

Otto-Behaghel-Str. 10 C,

35394 Gießen

annette.cremer@ggk.uni-giessen.de

 

Source : Martina Granass granass@uni-mainz.de 16/10/2013 H-ArtHist <http://arthist.net/archive/6182>.

 

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